Nach der Lektüre des "Gemeinsamen Wortes der Kirchen zur Wirtschaftlichen und Sozialen Lage in Deutschland" erklärte Renate Schmidt, Vorstandsmitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, ihren Wiedereintritt in die Evangelische Landeskirche Bayerns. Sie sagte dazu, dass sie diese Kirche in früheren Jahren als konservativ und unbeweglich wahrgenommen und sie deshalb verlassen habe. Das "Gemeinsamen Wort" habe sie eines anderen belehrt. Hier trete die Kirche als Anwalt der Schwachen auf. Ist das die gesellschaftliche Rolle einer protestantischen Kirche: Eintreten für "soziale Gerechtigkeit" und ist damit auch ihr Verhältnis zur Wirtschaft definiert? Viele sehen das so, aber die tatsächlichen Beziehungen zwischen "Protestantismus" und "Wirtschaft" sind komplexer. Um sie darstellen zu können, ist zunächst eine Verständigung über die beiden zentralen Begriffe des Themas notwendig. Dies ist Gegenstand meines ersten Abschnitts. In einem zweiten Abschnitt soll die lange und immer noch wirksame Geschichte der Distanzierung des Protestantismus vom marktwirtschaftlichen Prinzip zur Sprache kommen, die ihn teilweise daran gehindert hat, sich konstruktiv an der Mitgestaltung einer Wettbewerbsökonomie zu beteiligen. In einem dritten Gedankengang soll dann diskutiert werden, wie der Protestantismus – ausgehend von einer grundsätzlichen Bejahung der marktwirtschaftlichen Idee – eine darauf aufbauende Wirtschaftsordnung mitgestalten kann. Dafür gibt es eine Reihe von Beispielen, auf die ich eingehen möchte. Der vierte Abschnitt fasst die wesentlichen Herausforderungen des Protestantismus durch die Wirtschaft zusammen.

Autor

Prof. Dr. Hermann Sautter

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