Die Grundfrage der Wirtschaftsethik lautet: Wie kann das moralisch Gute in der Wirtschaft verwirklicht werden? Ein ökonomischer Vorgang, dessen moralische Legitimität energisch bestritten wird, muß deshalb eine besondere Herausforderung für sie bedeuten. In exemplarischer Weise gilt dies für die Globalisierung, d. h. den Prozeß zunehmender Verflechtung der Nationalstaaten und ihrer Volkswirtschaften. Die weitgefächerte Kritik an ihm ist letztlich moralisch motiviert. Sie lautet, kurz gefaßt: Eine globale Entfesselung der Marktkräfte führt zu inhumanen, ungerechten und unverantwortbaren Ergebnissen. Von dieser Kritik ausgehend kann die wirtschaftsethische Herausforderung der Globalisierung darin gesehen werden, die Möglichkeiten für eine verantwortbare Gestaltung dieses Prozesses zu klären. Damit ist bereits eine Vorentscheidung getroffen. Es soll nicht darum gehen, über eine Blockierung dieses Prozesses zu diskutieren. Nach meiner Ansicht wäre dies wenig sinnvoll, denn vieles spricht dafür, daß die Globalisierung irreversibel ist. Die technischen Neuerungen, die zu einer geradezu dramatischen Verringerung der Distanzüberwindungskosten geführt haben, sind nicht mehr rückgängig zu machen und es ist auch nicht anzunehmen, daß das Potential des technischen Fortschritts in der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie im Verkehrswesen bereits ausgeschöpft ist. Ebenso wenig ist damit zu rechnen, daß die politisch gewollte Entgrenzung der Nationalstaaten, die dem individuellen Wunsch nach größerer Wahlfreiheit in der Lebensgestaltung entspricht, wieder aufgehoben wird, auch wenn nach den Ereignissen des 11. September 2001 manche Einschränkungen in der Reisefreiheit, im internationalen Geldverkehr und im Warenhandel vorgenommen worden sind und weitere Einschränkungen nicht ausgeschlossen werden können. Ein Rückfall in eine strikte Nationalstaatlichkeit ist aber nicht zu erwarten, denn er wäre für alle Staaten – die armen wie die reichen – mit erheblichen ökonomischen Verlusten verbunden. Wirtschaftsethisch vertretbar wäre dieser Rückschritt jedenfalls nicht. Nicht der Blockierung, sondern der Gestaltung eines Prozesses gilt also die wirtschaftsethische Herausforderung. Dabei ist zunächst zu klären, auf welche Ziele hin, die Globalisierung gestaltet werden soll und welche Akteure zu welchem Handeln herausgefordert sind. Dazu will ich in einem ersten Abschnitt einiges sagen. In den weiteren Abschnitten beschränke ich mich darauf, das Handeln nationalstaatlicher Akteure bei der Schaffung internationaler Regelsysteme zu diskutieren. In den Abschnitten 2-6 werden die Möglichkeiten funktionsspezifischer Regelsysteme für einzelne Dimensionen der Globalisierung angesprochen werden: den Warenhandel (2), die Finanzmärkte (3), die Erhaltung globaler öffentlicher Güter im Umweltbereich (4), den Schutz globaler öffentlicher Güter ideeller Art (5) und die Partizipationschancen einzelner Länder am Potential einer weltweiten Wohlstandsmehrung (6). Im siebten Abschnitt versuche ich ein Fazit.

Autor

Prof. Dr. Hermann Sautter

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