Überlegungen zum Anthropischen Prinzip

1 Die drei Kränkungen der Menschheit

Mit SIGMUND FREUD spricht man von den drei Kränkungen, welche die Menschheit erleiden mußte. Es handelt sich dabei um wissenschaftliche Entwicklungen und Umbrüche, welche das Selbstverständnis des Menschen wesentlich beeinflußten und seine Sonderstellung in Frage stellten: 1. Da war zunächst der Übergang vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild. Seit KOPERNIKUS und GALILEI wird die Erde nicht mehr als Mittelpunkt der Welt angesehen. Der Mensch erlebt sich zunehmend als einsam und unbedeutend in einem unermeßlich großen Weltall. BLAISE PASCAL drückt in seinen Pensées das veränderte Lebensgefühl vieler aus: "Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume macht mich schaudern." Die Astronomie, die Astrophysik und die Kosmologie führen diese Entwicklung weiter, die den Menschen immer mehr aus seiner zentral empfundenen Stellung verdrängt: Unsere Sonne ist nur ein Stern unter Milliarden von Sternen, unsere Milchstraße erweist sich als eine Galaxie unter vielen, und selbst der Kosmos ist nach neueren Erwägungen vielleicht nur ein (Teil)kosmos unter vielen verschiedenartigen Kosmen. 2. Seit DARWIN ist auch die Sonderstellung des Menschen unter den Lebewesen fraglich geworden. Autoren wie MONOD versuchen zu zeigen, daß biologisches Leben – und damit auch menschliches Leben – ein reines Zufallsprodukt eines evolutionären Prozesses ist. 3. FREUD hat schließlich gezeigt, daß der Mensch nicht einmal "Herr im eigenen Hause" ist, sondern in hohem Maße von unbewußten Antrieben bestimmt wird. Inzwischen werden bereits weitere Kränkungen genannt: Die Evolutionäre Erkenntnistheorie, die Künstliche Intelligenz und die Robotertechnik. Sie machen dem Menschen jede Art von geistiger und intellektueller Sonderrolle streitig.

Autor

Prof. Dr. Peter C. Hägele

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