01.08.2009

Psychotherapie zwischen Profession und Konfession

Welche Antworten kann die Psychologie auf existentielle Fragen geben? Wird die Existenz einer übermenschlichen Wirklichkeit („Jenseits“) abgelehnt, gibt es keinen Sinn, und die Frage danach erübrigt sich. Gibt es diese Wirklichkeit doch, verlangt der menschliche Geist nach einem Erklärungsmodell in Form einer Weltanschauung, die sein Verhältnis zu dieser anderen Realität bestimmt. Nicht die Psychologie, sondern philosophische Entwürfe und Religionen liefern Weltanschauungen, die dem einzelnen Sicherheit in einem imaginären Ganzen bieten. Die Psychotherapie übernimmt sich, wenn sie existentielle Grundhaltungen wie „Vertrauen angesichts eines risikoreiches, gefahrvollen Lebens“, „Sicherheit angesichts einer unverfügbaren Zukunft“ oder „Gelassenheit angesichts des sicheren Todes“ als gruppendynamisch herstellbar oder psychotechnisch vermittelbar beschreibt. Sie wird unseriös, wenn religiöse Entwicklungsziele wie Heil, Ganzheit, Glück oder Vollkommenheit als psychotherapeutisch machbar dargestellt werden. Alternative Behandlungsansätze vermischen häufig Wissenschaft und Weltanschauung. Wissenschaftlich redlich wäre es, zwischen psychologischer Heilbehandlung mit dem Ziel der seelischen Gesundung und einer weltanschaulich-religiös Heilsvermittlung mit dem Ziel existentieller Selbstvergewisserung eine deutliche Grenze zu ziehen.

Autor

Prof. Dr. Michael Utsch

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