04.09.2013

Eine neue Antwort auf eine alte Frage

Es gibt zahlreiche empirische Studien zum Einfluss von christlicher Religiosität auf Kriminalität. Die Ergebnisse variieren zwar, aber insbesondere in zusammenfassenden Untersuchungen wird deutlich, dass erwartungskonforme Effektschätzungen überwiegen. Allerdings fallen diese meist niedrig aus. Ein Grund dafür dürfte in der Operationalisierung von Religiosität und in der Modellkonstruktion liegen. Aus handlungstheoretischer Sicht ist es sinnvoll, Religiosität durch die Orientierung an religiösen Werten zu messen und neben religiösen Werten auch davon abhängige Werte einzubeziehen.

In einer empirischen Untersuchung wurde dies berücksichtigt. Der Werteraum wurde als hierarchisches Konstrukt gesehen: Die christlich-religiöse Orientierung bildete eine Wertorientierung erster Ordnung, die einen Rahmen für die Ausbildung anderer Wertorientierungen, nämlich die Werte zweiter Ordnung, darstellte. Dieses Modells konnte mittels Bevölkerungsbefragungen in zwei deutschen Städten bestätigt werden. Christlich-religiöse Wertorientierungen beeinflussen auch andere Werte; den größten Einfluss haben sie auf die nomozentriert-konservative Leistungsorientierung, und diese Wertorientierung beeinflusst Umfang und Schwere von kriminellem Handeln. Die Effektschätzungen sind überdurchschnittlich groß, so dass die Berücksichtigung eines hierarchischen Werteraums die Modellqualität erheblich verbessert. Die Ergebnisse sprechen für einen starken Effekt von christlich-religiösen Werten auf Kriminalität. In der voluntaristischen Kriminalitätstheorie wird kriminelles Handeln durch die Orientierung an Werten erklärt. Sie ist somit ein geeigneter theoretischer Hintergrund, um die Beziehung zwischen Religiosität und Kriminalität zu verstehen.

Autor

Prof. Dr. Dieter Hermann

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