"Ehrfurcht" vor welchem Leben und welchen "naturwüchsigen" Lebensprozessen?

Die westlichen Industrieländer sind um ihrer wirtschaftlichen Existenz und der Sicherung der Arbeitsplätze willen auf die Entwicklung neuer Hochtechnologien angewiesen. Zu ihnen gehören die neuen Biotechnologien, insbesondere die Gentechnik. Auf ihre Anwendung in möglichst vielen Lebensbereichen richten sich große ökonomische und auch therapeutische Erwartungen. Der raschen Fortentwicklung dieser Technologie sollen nicht nur nach Auffassung der chemischen Industrie und von Wissenschaftlern, sondern auch von Gewerkschaften, Politikern u.a. möglichst keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Von Ethikern erwartet man offen oder insgeheim, daß sie vor allem einen Beitrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz dieser Technologie liefern, nicht aber, daß sie sie kritisch hinterfragen.

Dennoch ist es in erster Linie Aufgabe der Ethik, ein kritisches Bewußtsein dafür wach zu halten, was aus ethischer Sicht an dieser Technik neu ist im Vergleich zum bisherigen Umgang mit der belebten Natur. Verständnis von Leben. Der Theologe fragt zunächst danach, wie sich das Verhältnis des Menschen zur Natur und zu Gott durch die neue Technik verändert, ob die Natur dabei noch als Schöpfung Gottes betrachtet und geachtet wird. Zugleich muß aus theologischer Perspektive die Frage gestellt werden, ob der Mensch versteht, was er mit dieser neuen Technik tut, ob er sie zum Wohl der Schöpfung Gottes und der Menschen vor Gott verantworten kann. Dabei ist es wichtig und nötig, Fragen zu stellen, die durch den Fortschritt der Gentechnik längst beantwortet scheinen, also Selbstverständliches zu hinterfragen, um das kritische Bewußtsein für diese Technik wachzuhalten.

Autor

Prof. Dr. Ulrich Eibach

Dateien