Mitbedingt durch die Erfolge der Medizin hat sich die Lebenserwartung der Menschen im letzten Jahrhundert stetig gesteigert. Die gleichzeitig stetig sinkende Geburtenrate hat zu einer demographischen Entwicklung geführt, deren soziale, ökonomische und geistig kulturelle Folgen uns nur zögernd ins Bewusstsein gerückt werden, vor allem im Zusammenhang mit der "Renten-Frage". Der Gewinn an Lebensjahren bedeutet für viele alte Menschen zugleich eine verlängerte Lebensspanne, die von vielen Krankheiten und körperlichen wie geistigen Gebrechen und entsprechend von Hilfe- und Pflegebedürftigkeit geprägt ist. Es ist eine Fiktion, dass der Gewinn an Lebensjahren zugleich mit einem größeren Maß an Gesundheit verbunden ist. Vielmehr müssen wir feststellen, dass die Medizin die Zahl der kranken und pflegebedürftigen Menschen kontinuierlich erhöht, dass viele Menschen mit schweren chronischen Krankheiten heute dank der Medizin lange überleben, die früher ohne Lebenschance waren (Nierenkranke, Diabetiker usw.). Auch ohne weitere Fortschritte in der Lebensverlängerung wird die wachsende Zahl chronisch kranker und dauernder Pflege bedürfender, vor allem alter Menschen nur schwer lösbare Probleme aufwerfen. Schon sprechen einige Ökonomen offen davon, dass sie nicht zu lösen seien, ohne dass die durchschnittliche Lebenserwartung um viele Jahre sinkt, denn sonst sei ein Kampf der Generationen gegeneinander um die Verteilung der ökonomischen und sonstigen Ressourcen unvermeidbar. Das einzige Mittel, um die Lebenserwartung zu senken, sehen sie in der Medizin, genauer in der Vorenthaltung medizinischer Leistungen für bestimmte Gruppen von Menschen, für die nicht mehr Erwerbstätigen, die chronisch kranken und pflegebedürftigen Menschen, und in einer weitgehenden Privatisierung der Gesundheits- und Pflegeleistungen.

Autor

Prof. Dr. Ulrich Eibach

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