Die Rede von der Würde des Menschen bereitet Schwierigkeiten. Was soll die Würde eines Menschen sein? Wir sagen allgemein, daß jemand würdig ist, etwas zu tun oder zu bekommen. Wir meinen damit, daß dieser sich in einer bestimmten Weise auszeichnet oder ausgezeichnet hat, was ihm das Recht oder die Berechtigung gibt, etwas zu tun oder zu bekommen. Er besitzt darauf kein Recht im Sinne des allgemeinen festgelegten Rechtes, sondern sozusagen ein ideelles Recht. Wäre jemand würdig gewesen, an einem Fest teilzunehmen oder in der Nationalmannschaft zu spielen, und wird nicht zugelassen, dann sagen wir: Er hätte eigentlich das Recht dazu gehabt. Aber neben dieser Rede von der erworbenen Würde gibt es auch die Rede von einer Würde des Menschen, die ‚absolut‘ ist. Das heißt, diese Würde muß man sich nicht erarbeiten, sie wird einem auch nicht erblich mitgegeben, sondern diese bringt ein Mensch schon mit sich. Auch diese Würde beinhaltet ein Recht oder einen Anspruch. Deshalb kann man auch die Würde eines Menschen verletzen, so wie man ein allgemeines Recht im juristischen Sinne verletzen kann. Dabei wiegt die Verletzung der Menschenwürde im allgemeinen schwerer als die Verletzung sonstiger Rechtsvorschriften. Der Angriff auf die Würde von ausländischen Mitbürgern wird oft schwerwiegender empfunden als etwa ein Raub von Eigentum. Diese Intuition hat ihren guten Grund. Der Angriff auf die Würde eines Menschen – sei es durch Beleidigung oder Gewalttätigkeiten – richtet sich gegen diesen Menschen selbst, während der Raub von Eigentum wohl schädigt, sich aber in den meisten Fällen nicht gegen den Besitzer selbst richtet.

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Autor

Prof. Dr. Jürgen Boomgaarden

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